Zwischen Ocantros und Centaur oder wovon eine Komtess ganz und gar alle zehn Finger lässt – Drei E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
Meldung von: - 10.02.2017 17:21 Uhr
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Schauplätze und Personal der drei aktuellen Deals der Woche der EDITION digital, die im E-Book-Shop www.edition-digital.de acht Tage lang (Freitag, 10.02. 17 - Freitag, 17.02. 17) zu jeweils stark reduzierten Preisen zu haben sind, sind auch diesmal wieder sehr vielfältig. Im Angebot sind ein Abenteuerroman aus einem fiktiven Entwicklungsland, Begegnungen mit Außerirdischen und nicht zuletzt ein ungewöhnlicher Kriminalfall einer ungewöhnlichen Privatdetektivin, die sich zum einen durch eine unübersehbare Zahl Sommersprossen am ganzen Körper auszeichnet und dadurch, dass sie für gewisse Fälle des Lebens Vorsorge trifft. Selbst ist die Frau. Viel Spaß beim Lesen.
„Visa für Ocantros“. Zuerst war der Film da, dann erst das Buch. In dem 1974 ausgestrahlten Zwei-Teiler des DDR-Fernsehfunks spielten namhafte Darsteller mit, darunter Alfred Müller und Gojko Mitic, Barbara Brylska und Wolfgang Dehler. Zwei Jahre später brachte Drehbuchautor Wolfgang Held „Visa für Ocantros“ im Verlag Das Neue Berlin als einen spannenden Abenteuerroman heraus: Henry Kulaman soll erschossen werden. Doch der Premierminister des kleinen, fast ganz vom Dschungel bedeckten Inselstaates entgeht durch Zufall dem Attentat. Wenige Tage später putscht, geschürt von ausländischen Unternehmen, ein Teil der Streitkräfte. In die blutigen Auseinandersetzungen werden auch Unbeteiligte verwickelt. Unter ihnen drei Monteure, die eine aus der DDR importierte Druckerei in einer der größten Städte der Insel aufbauen sollen. Als Martin Katrup auf der Insel landet, sind seine beiden vorausgeflogenen Kollegen spurlos verschwunden.
Wir sind wenige Minuten vor dem Attentat auf den Premierminister: „Gelassen beobachtete Matthews Sinelakos den Sekundenzeiger seiner Uhr. Jede Bewegung dieses Mannes zeugte von Erfahrung und Umsicht. Die Präzision, mit welcher er sein Metier ausübte, hatte ihm den Ruf eingebracht, einer der zuverlässigsten, listenreichsten und geübtesten Menschenjäger des Jahrzehnts zu sein. Der sorgfältigen, beinahe generalstabsmäßigen Vorbereitung seiner Operationen und der Unterstützung durch seine in fast allen Fällen einflussreichen Auftraggeber hatte er es zu verdanken, dass sein Name auf keiner Fahndungsliste und auch nicht in der umfangreichen Kartei der Pariser Interpol-Zentrale zu finden war. Er hatte feste Preise. Für einen Mord forderte er zwanzigtausend Schweizer Franken zuzüglich aller Spesen. Die Hälfte der Summe ließ er sich bei Annahme eines Auftrages auszahlen, der Rest wurde am Tag der Beisetzung des Opfers fällig. Garantien gab er nicht, aber in vierzehn der siebzehn von ihm bisher durchgeführten Aktionen war auch die zweite Hälfte des Honorars auf sein Konto bei der Schweizerischen Nationalbank in Bern eingezahlt worden.
Sinelakos lebte mit seiner Frau und seinen drei Kindern in einer Kleinstadt unweit von Milwaukee am Lake Michigan und betrieb eine einträgliche, über die Grenzen des Staates Wisconsin hinaus bekannte Orchideenzucht. Die Familie genoss bei den Nachbarn hohes Ansehen, und niemand fand es verdächtig, dass der Orchideenzüchter mehrmals im Jahr auf längere Geschäftsreisen ging. Den meisten Leuten in der kleinen Stadt war längst bekannt geworden, dass Sinelakos' Orchideensamen und -setzlinge nach Europa, nach Asien und sogar nach Afrika versandt wurden. Selbst seine Frau ahnte nichts von den tatsächlichen Gründen seiner manchmal wochenlangen Abwesenheit. Seine regelmäßigen Postkartengrüße aus den verschiedensten Winkeln der Erde und die ebenfalls in reichlichem Maße eingehenden überseeischen Samenbestellungen ließen keinerlei Misstrauen aufkommen.
Lautlos bewegte Matthews Sinelakos den Sicherungshebel. Er hob die nun schussbereite Waffe ohne Hast und stemmte den linken Unterarm gegen den Pfeiler. Über Kimme und Korn visierte er den Hinterkopf seines Opfers an. Nach dem genau berechneten und einige Male überprüften Zeitplan hatte für Henry Kulaman die letzte Minute seines Lebens begonnen.
Der Regierungschef der jungen Inselrepublik Ocantros sang den Psalm von der Seligkeit der Frommen mit, war jedoch mit seinen Gedanken bereits bei dem Gespräch, das am Nachmittag zwischen ihm und dem japanischen Gesandten geführt werden sollte. Er versprach sich viel von besseren Wirtschaftsbeziehungen zu dem großen Land. Schon vor seiner Wahl zum Premierminister des unabhängigen Ocantros war er sich darüber klar gewesen, dass die Inselbevölkerung die mittelalterliche Rückständigkeit, in der sie noch lebte, nicht aus eigener Kraft überwinden könnte. Wir haben starke, aber leere Hände, hatte er am Tag seines Amtsantritts vor den gewählten Delegierten der sieben Distrikte erklärt. Wir brauchen alles, was zu einem modernen Industriestaat gehört, am dringlichsten aber brauchen wir hilfsbereite, uneigennützige Freunde überall in der Welt.“
Autor Wolfgang Held hatte seinem Buch übrigens eine aufschlussreiche Vorbemerkung vorausgeschickt: „OCANTROS ist eine Fiktion, die von realen Strukturen, Prozessen und Ereignissen in einigen kleineren Entwicklungsländern angeregt wurde. Alle Aussagen über Methoden imperialistischer Großunternehmen und des US-Geheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA) können authentisch belegt werden. An dieser Stelle danke ich Herrn Doktor Achmed Ismail, der meine Arbeit mit wertvollen Hinweisen und Ratschlägen unterstützte.“
In drei Bänden hat sich Alexander Kröger mit dem Kontakt und der mitunter schwierige Zusammenarbeit der Menschen mit den Centauren befasst. Der abschließende dritte Teil „Energie für Centaur“ war erstmals 1983 im Verlag Neues Leben Berlin erschienen. Dem preisgesenkten E-Book liegt die Originalausgabe von 1983 zugrunde, es gibt aber auch eine überarbeitete Fassung von 2009 als E-Book: Sechs Jahre lang sind dreihundert Menschen zum fernen Planeten Centaur geflogen, um dort mit einheimischen Ingenieuren eine gewaltige Energieerzeugungsanlage zu errichten, denn der Planet scheint ohne diese dem langsamen Untergang geweiht. Der Empfang der Gäste von der Erde ist jedoch alles andere als herzlich, und bald gibt es auch Schwierigkeiten bei der gemeinsamen Arbeit. Da wird die Transportkolonne mit dem Orbitalflugzeug von einer Gerölllawine verschlungen, erheben sich schwere Lastfahrzeuge plötzlich in die Luft, tauchen unvermittelt seltsame Bauten auf, die dann spurlos wieder verschwinden. Die Expedition soll deshalb vorzeitig beendet werden. Doch Gernot Wach, ein junger Wissenschaftler, will nicht aufgeben und glaubt einen Weg gefunden zu haben, das Projekt zu retten. Zunächst aber muss er sich mit Josephin versöhnen, die zusammen mit ihm den Schlupfwinkel des geheimnisvollen Lim entdeckt hat.
Sind Sie auf eine ungewöhnliche Begegnung vorbereitet? Dann bitte: „Während Nora duschte, fragte Jercy ohne gesteigertes Interesse den Postspeicher ab. Er erwartete nichts Besonderes, zumal sie sich dort, wo sie gesellschaftlich verpflichtet waren, abgemeldet hatten. Da war ein Gruß von Josephin. Jercy las belustigt, dass irgend so ein ahnungsloser Chef an ihren Entwürfen zur Gestaltung der Außenanlagen des Reaktors herumzumäkeln hätte. Eine Nachricht von Gernot. Er befinde sich wegen besonderer Metalllegierungen in Stockholm. Einladungen liefen über den Bildschirm. Dazwischen war eine kurze Nachricht, auf die Jercy, nun doch die Abspannung durch die Reise spürend, aufmerksam wurde, als er bereits las, dass die Wissenschaftliche Gesellschaft Elektroenergie am elften Dezember ihre Jahrestagung abzuhalten gedachte und seine Teilnahme erwarte.
Jercy stoppte den automatischen Vorlauf, drückte die Rücktaste, erwischte die gesuchte Nachricht nicht gleich, sondern las noch einmal, nun bereits aufmerksamer, die vorhergehende, die ihm kundtat, dass sein bestellter argentinischer Rotwein abrufbereit lagere. Und dann stand da:
JERCY KAMIENCZYK, ICH BITTE DICH AM 14. OKTOBER GEGEN 16 UHR ZU EINER KURZEN UNTEREDUNG AUFSUCHEN ZU DÃœRFEN. BIST DU VERHINDERT, NENNE BITTE EINEN TERMIN. BOTSCHAFT DES CENTAUR
MEN PERSÖNLICHER REFERENT DES BOTSCHAFTERS.
Jercy begriff nicht. Er las ein zweites Mal, sah auf die Datumsanzeige: Der Vierzehnte war morgen. Dann lachte er. Irgend jemand hatte sich einen Scherz erlaubt! Das war es! Jercy atmete erleichtert auf. Dann erst gewahrte er das Sternchen in der linken oberen Bildecke. Es war eine postalisch registrierte Nachricht: Er sprang auf, lief ins Bad. Nora stand unter der Heißluftdusche, rekelte sich wohlig. Ihre Haare flauschten im Wind. Ihr Körper strahlte nach dem Bad Frische aus. Eine Sekunde lang dachte Jercy an den Abend, dann rief er in das Summen der Dusche hinein: „Nora, komm mal mit.“ „Ich bin gleich fertig!“ „Sofort“, sagte er bestimmt, aber nicht barsch, fasste ihre Hand und zog sie mit. „Lies mal!“, forderte er sie auf, als sie vor dem Postspeicher angekommen waren.
Jercy hatte sich wieder in den Sessel fallen lassen, wies mit langgestrecktem Arm auf den Schirm, verharrte in dieser Pose. Nora las mit gerunzelter Stirn, glitt dabei neben ihm auf den Sessel. „Das ist seltsam“, sagte sie. „Weißt du damit etwas anzufangen?“, fragte er überflüssigerweise. Sie schüttelte den Kopf. Ihre Haare streiften sein Gesicht. Dann begannen sie beide zu spekulieren.
„Die machen eine Umfrage“, sagte Nora, „das ist modern. Vielleicht hängt es mit Josephin zusammen, dass sie bei ihnen arbeiten soll?“ „Und warum sollten sie sie da nicht selber fragen?“ Nach einer Weile wurde Jercy des Rätselns müde. Er hatte den Kopf an Noras Schulter gelehnt, atmete den Duft ihres Körpers. „Wir werden es sehen“, sagte er, „der Vierzehnte ist ja morgen.“ Bevor er den Arm um seine Gefährtin legte, drückte er den Ausschalter des Postspeichers.
Nora war es, die ihre Aufregung eingestand. Sie saßen auf der Terrasse und warteten, dass es 16 Uhr wurde. „Ich habe Herzklopfen“, sagte sie. „Etwas Schlimmes kann es ja wohl nicht sein.“ Zum wiederholten Male sprach er die Floskel. Er strich mit der rechten Hand über die Hose. Dann nickte er Nora verstehend zu. „Mir gehts wie vor einer wichtigen Prüfung.“ Sie lachten. „Quatsch!“, rief Jercy. Er goss sich und Nora einen Kognak ein.
Als er ihr zuprostete, zog ein Schatten über die Terrasse. Sekunden später stand unmittelbar vor ihren Füßen, so als sei er ein exotisches Gestaltungselement moderner Gartenbaukunst, zwischen den Ziersträuchern, aber ohne auch nur einen Zweig zu streifen, ein kleiner Fluggleiter, wie sie aus Publikationen allgemein bekannt waren: ein „Rochen“ der Centauren. Nora und Jercy waren aufgestanden. Die wenigen Stufen hinab auf das Flugzeug zuzugehen, schafften sie nicht. Dessen Schlag sprang auf, und mit einer schwerfälligen Leichtigkeit, als rannte einer mit einem Sack auf dem Rücken, kam der Außerirdische auf sie zu - eine Höflichkeitsgeste, die ihn viel Kraft kostenmochte.
„Men“, sagte das kleine Kästchen auf seiner Brust. Er neigte den Kopf. „Aber bitte“, beeilte sich Jercy zu sagen und bedeutete dem Gast, die Terrasse zu betreten. Er selbst ging nun doch die Stufen hinunter. Men maß höchstens einen Meter und 30 Zentimeter. Die Last der größeren Schwere war dem Fremden anzumerken. Er stützte sich mit den Armen ab, als er sich in den Sessel gleiten ließ.
Es war das erste Mal, dass Nora und Jercy einen der Außerirdischen aus nächster Nähe zu Gesicht bekamen. Sie waren beide bestrebt, nicht aufdringlich zu blicken. Aber offenbar war Men diese Situation nicht neu. Die ersten Minuten bemühte er sich, seine Gegenüber nicht unmittelbar anzusehen. Er blickte in die Weite, als er sprach, gab ihnen so Gelegenheit, ihn zu betrachten. Das Faszinierende der Centauren waren ihre Augen, und das wusste Men natürlich.“
Die Hauptfigur des dritten Deals der Woche „Zahltag. Detektei Rote Socke, Band 3“ von Hans-Ulrich Lüdemann stellt sich gleich selber vor: Gestatten Sie: Mein Name ist Mildred Sox, Diplom-Kriminalistin. Wenn Sie den von mir gelösten Kriminalfall Gudow in JANUSGESICHTER oder EIN MÖRDERISCHER DREH gelesen haben, dann kennen Sie ja meine bisherige Lebensgeschichte. Ich bin also diejenige, die aufgrund besonderer Lebensumstände aus dem Polizeidienst gefeuert wurde und demzufolge geradezu eine Privatdetektei gründen musste. Die vorliegende Story vom Rentner Fyerabend ist kein Kriminalfall im eigentlichen Sinne. Zugegeben, ich konnte diesen Fall nicht aus eigener Kraft beenden. Aber es handelte sich auch um eine Ausnahmesituation, die ich keinem Kollegen wünsche. Der Täter war auf einen Rollstuhl angewiesen, schwer bewaffnet und führte einen abgerichteten Schäferhund mit sich. Auf engstem Raum trafen der ehemalige Küchenbulle(65), der aus Hamburg geliehene Dr. Kruse (45) und eine etwas naive Sekretärin des Amtsleiters aufeinander.
Letztere spielte ich ganz intuitiv, weil ich mir dadurch bessere Chancen für die Überwältigung des Erpressers erhoffte. Trotz des Ernstes einer Geiselnahme mit SEK und anderen Begleiterscheinungen, blieben komische Momente nicht ausgespart - der Schluss hielt auch für mich eine überraschende Wendung bereit.
Und so fängt der „Zahltag“ an, dessen Druckausgabe erstmals 2009 und beim BS-Verlag Rostock erschien. Es war der 15. März 1996, 22.30 Uhr: „Weder ein rücksichtsvoller Bruno noch das diensteifrige Personal fanden während unseres ausgiebigen Abendessens in einem Nobel-Restaurant Gnade vor meinen Augen. Später war ich ausgerastet, als Bruno mich traurig, aber verständnisvoll auf die Stirn geküsst hatte, nachdem ich meinen Roten Mond über Soho erwähnt hatte. Wie ein guter alter Freund auf die Stirn statt auf den Mund! Als hätte es einer solchen Geste noch bedurft: Die in seiner Wohnung gefundenen Kondome waren schließlich Beweis genug gewesen - er hat mich tatsächlich abgeschrieben! Der Höhepunkt aller Ärgernisse schien zu sein, dass wir uns wie bei einem kindlichen Pfadfinder-Spiel durch einen unverschlossenen Abstellkeller im Souterrain der Pension auf Brunos Zimmer schleichen mussten. Vorher hatte ich sogar entgegen meiner Gewohnheit das Handy abschalten müssen ...
„Ich will duschen!“ Ich kündigte meinen Wunsch wie eine Drohung an. Im aufreizenden Tanga und mit einem angewärmten riesigen Badetuch bewaffnet, stand ich in der Mitte des Raumes. „Tu das, mein Schatz.“ Bruno lümmelte sich im bequemen Ohrensessel nahe der Balkontür und konnte sich wohl nicht satt sehen an seiner Milli. Aufregend für ihn immer aufs Neue meine unübersehbare Zahl Sommersprossen am ganzen Körper! Unsere letzte Trennung hatte einfach zu lange gedauert. Das waren wir nicht gewohnt.
Es klopfte. Ich verschwand in der Badekabine, und Bruno öffnete die Tür einen Spaltbreit. „Herr Bruno! Sie sind meine letzte Hoffnung. Der Boiler in der Küche - wir haben seit Stunden kein warmes Wasser. Könnten Sie sich das mal ansehen? Ich bitte Sie!“ Typisch Schwarzer Freitag: Wohl auf Katzenpfoten war Komtess Tessa von Büxenstein-Bohlen im Vorflur herangeschlichen. Ihre Stimme klang wie die eines Feldwebels auf dem Kasernenhof. Ich dachte daran, dass Bruno Nichtraucher war und demzufolge den beißenden Qualm starker Zigarillos, der seine neunzigjährige Pensionswirtin ständig umwehte, nicht ausstehen konnte. „Wenn Sie Glück haben, Komtess, dann ist es nur die Sicherungâ€, meinte Bruno. „Dann wollen wir doch mal sehen, wo der Frosch seine Haare hat!“
Haha! Ich würde über den witzigen Herrn Bruno lachen, wenn mir danach wäre. Ihm schien es gar nichts auszumachen, mich allein zu lassen! Ich duckte mich tiefer. Vielleicht ahnte er bereits, was auf ihn zukommen würde wegen der Kondome? Für manche Ungelegenheiten hatte Bruno schon des Öfteren einen so genannten Siebenten Sinn bewiesen. „Nein! Das ist aber wirklich sehr apart, Herr Bruno!“ Durch die Milchglasscheibe sah ich unscharf, wie Bruno vom gnädigen Fräulein von Büxenstein-Bohlen beiseite geschoben wurde. Sie stiefelte mit dem Recht der Eigentümerin ins Pensionszimmer.
„Was für ein Grün!“ Die alte Dame begrapschte ungeniert den Stoff meiner Jacke und fragte wie nebenbei: „Ich darf wohl annehmen, Herr Bruno, dass jene Dame rothaarig ist? Mit grünen Augen wäre ihre Erscheinung vollendet.“
Mit grünen Augen wäre ihre Erscheinung vollendet ... Na bitte, dachte ich. Da muss erst eine lebenserfahrene Komtess kommen, um die Dinge beim Namen zu nennen. Bruno log schlecht: „Eine Kollegin hat mich gebeten, gleich morgen ihr Kostüm zur Reinigung zu bringen!“ Er blickte absichtlich nicht zur Duschkabine. Ihm stand gewiss Schweiß auf der Stirn. „Sonnabends ist dort auch auf?“ Die alte Dame balancierte ihr Zigarillo zwischen den Zähnen und zog meine Jacke auseinander. „Wer zum Teufel macht so schöne Sachen“, nuschelte sie. „Modeschöpfer haben doch immer irgendwo ihr Markenzeichen eingenäht?“ Eher unabsichtlich fasste Tessa von Büxenstein-Bohlen bei ihrer Suche nach einem Schildchen auch in die Reverstasche. Als sie verdutzt die Hand herausnahm, hielten ihre gräflichen Finger zwei Kondome. In der Linken das rauchende Zigarillo, schnarrte die Komtess: „Alle Wetter aber auch!“
„Entschuldigen Sie vielmals, Komtess.“ Rot im Gesicht, nahm Bruno schnell das Corpus delicti an sich und steckte es zurück. In diesem Augenblick sah er gar nicht gut aus. Geschieht ihm recht, dachte ich frohlockend. Komtess von Büxenstein-Bohlen hatte unwissentlich meine Rolle als Racheengel übernommen. „Aber wieso denn, Herr Bruno? Ihre Kollegin scheint eine rechte Suffragette zu sein. Wenn ein Blaustrumpf sich schon mit Männern abgeben muss, sage ich immer, dann sollte sie das Wichtigste dabei in die eigenen Hände nehmen! Ich habe allerdings mein Lebtag alle zehn Finger ganz und gar davon gelassen.“
Merken Sie sich unbedingt den Namen der lebenserfahrenen Komtess. Tessa von Büxenstein-Bohlen. Ob man ihr wirklich glauben kann, dass sie ihr von Lebtag von gewissen Dingen alle zehn Finger ganz und gar gelassen hat? Und wer waren eigentlich Blaustrümpfe und Suffragetten?
Beide Bezeichnungen stehen für Frauen, die sich emanzipieren wollten und die sich wehren. Ziel der Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem in Großbritannien und Amerika und England aktiven Suffragetten war es, das allgemeine Wahlrecht auch für Frauen zu erkämpfen. Zu den zunächst eher passiven und friedlichen Mitteln der Suffragetten, auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, gehörte übrigens das demonstrative Rauchen in der Öffentlichkeit. Dieses galt damals als ausschließlich männliches Vorrecht galt und wurde von Frauen ausgeübt als Anmaßung empfunden. Und wer weiß, auf wessen Seite Komtess von Büxenstein-Bohlen gestanden hätte …
„Visa für Ocantros“. Zuerst war der Film da, dann erst das Buch. In dem 1974 ausgestrahlten Zwei-Teiler des DDR-Fernsehfunks spielten namhafte Darsteller mit, darunter Alfred Müller und Gojko Mitic, Barbara Brylska und Wolfgang Dehler. Zwei Jahre später brachte Drehbuchautor Wolfgang Held „Visa für Ocantros“ im Verlag Das Neue Berlin als einen spannenden Abenteuerroman heraus: Henry Kulaman soll erschossen werden. Doch der Premierminister des kleinen, fast ganz vom Dschungel bedeckten Inselstaates entgeht durch Zufall dem Attentat. Wenige Tage später putscht, geschürt von ausländischen Unternehmen, ein Teil der Streitkräfte. In die blutigen Auseinandersetzungen werden auch Unbeteiligte verwickelt. Unter ihnen drei Monteure, die eine aus der DDR importierte Druckerei in einer der größten Städte der Insel aufbauen sollen. Als Martin Katrup auf der Insel landet, sind seine beiden vorausgeflogenen Kollegen spurlos verschwunden.
Wir sind wenige Minuten vor dem Attentat auf den Premierminister: „Gelassen beobachtete Matthews Sinelakos den Sekundenzeiger seiner Uhr. Jede Bewegung dieses Mannes zeugte von Erfahrung und Umsicht. Die Präzision, mit welcher er sein Metier ausübte, hatte ihm den Ruf eingebracht, einer der zuverlässigsten, listenreichsten und geübtesten Menschenjäger des Jahrzehnts zu sein. Der sorgfältigen, beinahe generalstabsmäßigen Vorbereitung seiner Operationen und der Unterstützung durch seine in fast allen Fällen einflussreichen Auftraggeber hatte er es zu verdanken, dass sein Name auf keiner Fahndungsliste und auch nicht in der umfangreichen Kartei der Pariser Interpol-Zentrale zu finden war. Er hatte feste Preise. Für einen Mord forderte er zwanzigtausend Schweizer Franken zuzüglich aller Spesen. Die Hälfte der Summe ließ er sich bei Annahme eines Auftrages auszahlen, der Rest wurde am Tag der Beisetzung des Opfers fällig. Garantien gab er nicht, aber in vierzehn der siebzehn von ihm bisher durchgeführten Aktionen war auch die zweite Hälfte des Honorars auf sein Konto bei der Schweizerischen Nationalbank in Bern eingezahlt worden.
Sinelakos lebte mit seiner Frau und seinen drei Kindern in einer Kleinstadt unweit von Milwaukee am Lake Michigan und betrieb eine einträgliche, über die Grenzen des Staates Wisconsin hinaus bekannte Orchideenzucht. Die Familie genoss bei den Nachbarn hohes Ansehen, und niemand fand es verdächtig, dass der Orchideenzüchter mehrmals im Jahr auf längere Geschäftsreisen ging. Den meisten Leuten in der kleinen Stadt war längst bekannt geworden, dass Sinelakos' Orchideensamen und -setzlinge nach Europa, nach Asien und sogar nach Afrika versandt wurden. Selbst seine Frau ahnte nichts von den tatsächlichen Gründen seiner manchmal wochenlangen Abwesenheit. Seine regelmäßigen Postkartengrüße aus den verschiedensten Winkeln der Erde und die ebenfalls in reichlichem Maße eingehenden überseeischen Samenbestellungen ließen keinerlei Misstrauen aufkommen.
Lautlos bewegte Matthews Sinelakos den Sicherungshebel. Er hob die nun schussbereite Waffe ohne Hast und stemmte den linken Unterarm gegen den Pfeiler. Über Kimme und Korn visierte er den Hinterkopf seines Opfers an. Nach dem genau berechneten und einige Male überprüften Zeitplan hatte für Henry Kulaman die letzte Minute seines Lebens begonnen.
Der Regierungschef der jungen Inselrepublik Ocantros sang den Psalm von der Seligkeit der Frommen mit, war jedoch mit seinen Gedanken bereits bei dem Gespräch, das am Nachmittag zwischen ihm und dem japanischen Gesandten geführt werden sollte. Er versprach sich viel von besseren Wirtschaftsbeziehungen zu dem großen Land. Schon vor seiner Wahl zum Premierminister des unabhängigen Ocantros war er sich darüber klar gewesen, dass die Inselbevölkerung die mittelalterliche Rückständigkeit, in der sie noch lebte, nicht aus eigener Kraft überwinden könnte. Wir haben starke, aber leere Hände, hatte er am Tag seines Amtsantritts vor den gewählten Delegierten der sieben Distrikte erklärt. Wir brauchen alles, was zu einem modernen Industriestaat gehört, am dringlichsten aber brauchen wir hilfsbereite, uneigennützige Freunde überall in der Welt.“
Autor Wolfgang Held hatte seinem Buch übrigens eine aufschlussreiche Vorbemerkung vorausgeschickt: „OCANTROS ist eine Fiktion, die von realen Strukturen, Prozessen und Ereignissen in einigen kleineren Entwicklungsländern angeregt wurde. Alle Aussagen über Methoden imperialistischer Großunternehmen und des US-Geheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA) können authentisch belegt werden. An dieser Stelle danke ich Herrn Doktor Achmed Ismail, der meine Arbeit mit wertvollen Hinweisen und Ratschlägen unterstützte.“
In drei Bänden hat sich Alexander Kröger mit dem Kontakt und der mitunter schwierige Zusammenarbeit der Menschen mit den Centauren befasst. Der abschließende dritte Teil „Energie für Centaur“ war erstmals 1983 im Verlag Neues Leben Berlin erschienen. Dem preisgesenkten E-Book liegt die Originalausgabe von 1983 zugrunde, es gibt aber auch eine überarbeitete Fassung von 2009 als E-Book: Sechs Jahre lang sind dreihundert Menschen zum fernen Planeten Centaur geflogen, um dort mit einheimischen Ingenieuren eine gewaltige Energieerzeugungsanlage zu errichten, denn der Planet scheint ohne diese dem langsamen Untergang geweiht. Der Empfang der Gäste von der Erde ist jedoch alles andere als herzlich, und bald gibt es auch Schwierigkeiten bei der gemeinsamen Arbeit. Da wird die Transportkolonne mit dem Orbitalflugzeug von einer Gerölllawine verschlungen, erheben sich schwere Lastfahrzeuge plötzlich in die Luft, tauchen unvermittelt seltsame Bauten auf, die dann spurlos wieder verschwinden. Die Expedition soll deshalb vorzeitig beendet werden. Doch Gernot Wach, ein junger Wissenschaftler, will nicht aufgeben und glaubt einen Weg gefunden zu haben, das Projekt zu retten. Zunächst aber muss er sich mit Josephin versöhnen, die zusammen mit ihm den Schlupfwinkel des geheimnisvollen Lim entdeckt hat.
Sind Sie auf eine ungewöhnliche Begegnung vorbereitet? Dann bitte: „Während Nora duschte, fragte Jercy ohne gesteigertes Interesse den Postspeicher ab. Er erwartete nichts Besonderes, zumal sie sich dort, wo sie gesellschaftlich verpflichtet waren, abgemeldet hatten. Da war ein Gruß von Josephin. Jercy las belustigt, dass irgend so ein ahnungsloser Chef an ihren Entwürfen zur Gestaltung der Außenanlagen des Reaktors herumzumäkeln hätte. Eine Nachricht von Gernot. Er befinde sich wegen besonderer Metalllegierungen in Stockholm. Einladungen liefen über den Bildschirm. Dazwischen war eine kurze Nachricht, auf die Jercy, nun doch die Abspannung durch die Reise spürend, aufmerksam wurde, als er bereits las, dass die Wissenschaftliche Gesellschaft Elektroenergie am elften Dezember ihre Jahrestagung abzuhalten gedachte und seine Teilnahme erwarte.
Jercy stoppte den automatischen Vorlauf, drückte die Rücktaste, erwischte die gesuchte Nachricht nicht gleich, sondern las noch einmal, nun bereits aufmerksamer, die vorhergehende, die ihm kundtat, dass sein bestellter argentinischer Rotwein abrufbereit lagere. Und dann stand da:
JERCY KAMIENCZYK, ICH BITTE DICH AM 14. OKTOBER GEGEN 16 UHR ZU EINER KURZEN UNTEREDUNG AUFSUCHEN ZU DÃœRFEN. BIST DU VERHINDERT, NENNE BITTE EINEN TERMIN. BOTSCHAFT DES CENTAUR
MEN PERSÖNLICHER REFERENT DES BOTSCHAFTERS.
Jercy begriff nicht. Er las ein zweites Mal, sah auf die Datumsanzeige: Der Vierzehnte war morgen. Dann lachte er. Irgend jemand hatte sich einen Scherz erlaubt! Das war es! Jercy atmete erleichtert auf. Dann erst gewahrte er das Sternchen in der linken oberen Bildecke. Es war eine postalisch registrierte Nachricht: Er sprang auf, lief ins Bad. Nora stand unter der Heißluftdusche, rekelte sich wohlig. Ihre Haare flauschten im Wind. Ihr Körper strahlte nach dem Bad Frische aus. Eine Sekunde lang dachte Jercy an den Abend, dann rief er in das Summen der Dusche hinein: „Nora, komm mal mit.“ „Ich bin gleich fertig!“ „Sofort“, sagte er bestimmt, aber nicht barsch, fasste ihre Hand und zog sie mit. „Lies mal!“, forderte er sie auf, als sie vor dem Postspeicher angekommen waren.
Jercy hatte sich wieder in den Sessel fallen lassen, wies mit langgestrecktem Arm auf den Schirm, verharrte in dieser Pose. Nora las mit gerunzelter Stirn, glitt dabei neben ihm auf den Sessel. „Das ist seltsam“, sagte sie. „Weißt du damit etwas anzufangen?“, fragte er überflüssigerweise. Sie schüttelte den Kopf. Ihre Haare streiften sein Gesicht. Dann begannen sie beide zu spekulieren.
„Die machen eine Umfrage“, sagte Nora, „das ist modern. Vielleicht hängt es mit Josephin zusammen, dass sie bei ihnen arbeiten soll?“ „Und warum sollten sie sie da nicht selber fragen?“ Nach einer Weile wurde Jercy des Rätselns müde. Er hatte den Kopf an Noras Schulter gelehnt, atmete den Duft ihres Körpers. „Wir werden es sehen“, sagte er, „der Vierzehnte ist ja morgen.“ Bevor er den Arm um seine Gefährtin legte, drückte er den Ausschalter des Postspeichers.
Nora war es, die ihre Aufregung eingestand. Sie saßen auf der Terrasse und warteten, dass es 16 Uhr wurde. „Ich habe Herzklopfen“, sagte sie. „Etwas Schlimmes kann es ja wohl nicht sein.“ Zum wiederholten Male sprach er die Floskel. Er strich mit der rechten Hand über die Hose. Dann nickte er Nora verstehend zu. „Mir gehts wie vor einer wichtigen Prüfung.“ Sie lachten. „Quatsch!“, rief Jercy. Er goss sich und Nora einen Kognak ein.
Als er ihr zuprostete, zog ein Schatten über die Terrasse. Sekunden später stand unmittelbar vor ihren Füßen, so als sei er ein exotisches Gestaltungselement moderner Gartenbaukunst, zwischen den Ziersträuchern, aber ohne auch nur einen Zweig zu streifen, ein kleiner Fluggleiter, wie sie aus Publikationen allgemein bekannt waren: ein „Rochen“ der Centauren. Nora und Jercy waren aufgestanden. Die wenigen Stufen hinab auf das Flugzeug zuzugehen, schafften sie nicht. Dessen Schlag sprang auf, und mit einer schwerfälligen Leichtigkeit, als rannte einer mit einem Sack auf dem Rücken, kam der Außerirdische auf sie zu - eine Höflichkeitsgeste, die ihn viel Kraft kostenmochte.
„Men“, sagte das kleine Kästchen auf seiner Brust. Er neigte den Kopf. „Aber bitte“, beeilte sich Jercy zu sagen und bedeutete dem Gast, die Terrasse zu betreten. Er selbst ging nun doch die Stufen hinunter. Men maß höchstens einen Meter und 30 Zentimeter. Die Last der größeren Schwere war dem Fremden anzumerken. Er stützte sich mit den Armen ab, als er sich in den Sessel gleiten ließ.
Es war das erste Mal, dass Nora und Jercy einen der Außerirdischen aus nächster Nähe zu Gesicht bekamen. Sie waren beide bestrebt, nicht aufdringlich zu blicken. Aber offenbar war Men diese Situation nicht neu. Die ersten Minuten bemühte er sich, seine Gegenüber nicht unmittelbar anzusehen. Er blickte in die Weite, als er sprach, gab ihnen so Gelegenheit, ihn zu betrachten. Das Faszinierende der Centauren waren ihre Augen, und das wusste Men natürlich.“
Die Hauptfigur des dritten Deals der Woche „Zahltag. Detektei Rote Socke, Band 3“ von Hans-Ulrich Lüdemann stellt sich gleich selber vor: Gestatten Sie: Mein Name ist Mildred Sox, Diplom-Kriminalistin. Wenn Sie den von mir gelösten Kriminalfall Gudow in JANUSGESICHTER oder EIN MÖRDERISCHER DREH gelesen haben, dann kennen Sie ja meine bisherige Lebensgeschichte. Ich bin also diejenige, die aufgrund besonderer Lebensumstände aus dem Polizeidienst gefeuert wurde und demzufolge geradezu eine Privatdetektei gründen musste. Die vorliegende Story vom Rentner Fyerabend ist kein Kriminalfall im eigentlichen Sinne. Zugegeben, ich konnte diesen Fall nicht aus eigener Kraft beenden. Aber es handelte sich auch um eine Ausnahmesituation, die ich keinem Kollegen wünsche. Der Täter war auf einen Rollstuhl angewiesen, schwer bewaffnet und führte einen abgerichteten Schäferhund mit sich. Auf engstem Raum trafen der ehemalige Küchenbulle(65), der aus Hamburg geliehene Dr. Kruse (45) und eine etwas naive Sekretärin des Amtsleiters aufeinander.
Letztere spielte ich ganz intuitiv, weil ich mir dadurch bessere Chancen für die Überwältigung des Erpressers erhoffte. Trotz des Ernstes einer Geiselnahme mit SEK und anderen Begleiterscheinungen, blieben komische Momente nicht ausgespart - der Schluss hielt auch für mich eine überraschende Wendung bereit.
Und so fängt der „Zahltag“ an, dessen Druckausgabe erstmals 2009 und beim BS-Verlag Rostock erschien. Es war der 15. März 1996, 22.30 Uhr: „Weder ein rücksichtsvoller Bruno noch das diensteifrige Personal fanden während unseres ausgiebigen Abendessens in einem Nobel-Restaurant Gnade vor meinen Augen. Später war ich ausgerastet, als Bruno mich traurig, aber verständnisvoll auf die Stirn geküsst hatte, nachdem ich meinen Roten Mond über Soho erwähnt hatte. Wie ein guter alter Freund auf die Stirn statt auf den Mund! Als hätte es einer solchen Geste noch bedurft: Die in seiner Wohnung gefundenen Kondome waren schließlich Beweis genug gewesen - er hat mich tatsächlich abgeschrieben! Der Höhepunkt aller Ärgernisse schien zu sein, dass wir uns wie bei einem kindlichen Pfadfinder-Spiel durch einen unverschlossenen Abstellkeller im Souterrain der Pension auf Brunos Zimmer schleichen mussten. Vorher hatte ich sogar entgegen meiner Gewohnheit das Handy abschalten müssen ...
„Ich will duschen!“ Ich kündigte meinen Wunsch wie eine Drohung an. Im aufreizenden Tanga und mit einem angewärmten riesigen Badetuch bewaffnet, stand ich in der Mitte des Raumes. „Tu das, mein Schatz.“ Bruno lümmelte sich im bequemen Ohrensessel nahe der Balkontür und konnte sich wohl nicht satt sehen an seiner Milli. Aufregend für ihn immer aufs Neue meine unübersehbare Zahl Sommersprossen am ganzen Körper! Unsere letzte Trennung hatte einfach zu lange gedauert. Das waren wir nicht gewohnt.
Es klopfte. Ich verschwand in der Badekabine, und Bruno öffnete die Tür einen Spaltbreit. „Herr Bruno! Sie sind meine letzte Hoffnung. Der Boiler in der Küche - wir haben seit Stunden kein warmes Wasser. Könnten Sie sich das mal ansehen? Ich bitte Sie!“ Typisch Schwarzer Freitag: Wohl auf Katzenpfoten war Komtess Tessa von Büxenstein-Bohlen im Vorflur herangeschlichen. Ihre Stimme klang wie die eines Feldwebels auf dem Kasernenhof. Ich dachte daran, dass Bruno Nichtraucher war und demzufolge den beißenden Qualm starker Zigarillos, der seine neunzigjährige Pensionswirtin ständig umwehte, nicht ausstehen konnte. „Wenn Sie Glück haben, Komtess, dann ist es nur die Sicherungâ€, meinte Bruno. „Dann wollen wir doch mal sehen, wo der Frosch seine Haare hat!“
Haha! Ich würde über den witzigen Herrn Bruno lachen, wenn mir danach wäre. Ihm schien es gar nichts auszumachen, mich allein zu lassen! Ich duckte mich tiefer. Vielleicht ahnte er bereits, was auf ihn zukommen würde wegen der Kondome? Für manche Ungelegenheiten hatte Bruno schon des Öfteren einen so genannten Siebenten Sinn bewiesen. „Nein! Das ist aber wirklich sehr apart, Herr Bruno!“ Durch die Milchglasscheibe sah ich unscharf, wie Bruno vom gnädigen Fräulein von Büxenstein-Bohlen beiseite geschoben wurde. Sie stiefelte mit dem Recht der Eigentümerin ins Pensionszimmer.
„Was für ein Grün!“ Die alte Dame begrapschte ungeniert den Stoff meiner Jacke und fragte wie nebenbei: „Ich darf wohl annehmen, Herr Bruno, dass jene Dame rothaarig ist? Mit grünen Augen wäre ihre Erscheinung vollendet.“
Mit grünen Augen wäre ihre Erscheinung vollendet ... Na bitte, dachte ich. Da muss erst eine lebenserfahrene Komtess kommen, um die Dinge beim Namen zu nennen. Bruno log schlecht: „Eine Kollegin hat mich gebeten, gleich morgen ihr Kostüm zur Reinigung zu bringen!“ Er blickte absichtlich nicht zur Duschkabine. Ihm stand gewiss Schweiß auf der Stirn. „Sonnabends ist dort auch auf?“ Die alte Dame balancierte ihr Zigarillo zwischen den Zähnen und zog meine Jacke auseinander. „Wer zum Teufel macht so schöne Sachen“, nuschelte sie. „Modeschöpfer haben doch immer irgendwo ihr Markenzeichen eingenäht?“ Eher unabsichtlich fasste Tessa von Büxenstein-Bohlen bei ihrer Suche nach einem Schildchen auch in die Reverstasche. Als sie verdutzt die Hand herausnahm, hielten ihre gräflichen Finger zwei Kondome. In der Linken das rauchende Zigarillo, schnarrte die Komtess: „Alle Wetter aber auch!“
„Entschuldigen Sie vielmals, Komtess.“ Rot im Gesicht, nahm Bruno schnell das Corpus delicti an sich und steckte es zurück. In diesem Augenblick sah er gar nicht gut aus. Geschieht ihm recht, dachte ich frohlockend. Komtess von Büxenstein-Bohlen hatte unwissentlich meine Rolle als Racheengel übernommen. „Aber wieso denn, Herr Bruno? Ihre Kollegin scheint eine rechte Suffragette zu sein. Wenn ein Blaustrumpf sich schon mit Männern abgeben muss, sage ich immer, dann sollte sie das Wichtigste dabei in die eigenen Hände nehmen! Ich habe allerdings mein Lebtag alle zehn Finger ganz und gar davon gelassen.“
Merken Sie sich unbedingt den Namen der lebenserfahrenen Komtess. Tessa von Büxenstein-Bohlen. Ob man ihr wirklich glauben kann, dass sie ihr von Lebtag von gewissen Dingen alle zehn Finger ganz und gar gelassen hat? Und wer waren eigentlich Blaustrümpfe und Suffragetten?
Beide Bezeichnungen stehen für Frauen, die sich emanzipieren wollten und die sich wehren. Ziel der Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem in Großbritannien und Amerika und England aktiven Suffragetten war es, das allgemeine Wahlrecht auch für Frauen zu erkämpfen. Zu den zunächst eher passiven und friedlichen Mitteln der Suffragetten, auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, gehörte übrigens das demonstrative Rauchen in der Öffentlichkeit. Dieses galt damals als ausschließlich männliches Vorrecht galt und wurde von Frauen ausgeübt als Anmaßung empfunden. Und wer weiß, auf wessen Seite Komtess von Büxenstein-Bohlen gestanden hätte …
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